Trichtergelände
am Chemin-des-Dames
Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 31. August, 3., 4., 7., 12. und 13. September 1918 I. Über
den Ebenen der östlichen Pikardie und nördlichen Champagne erhebt
sich nach Südwesten, von den Nebenflüssen der Oise und Aisne
in ostwestlicher Richtung durchzogen, waldgekröntes Hügelland
zu der beherrschenden Lage, der die Ile de France ihren Namen verdankt.
Unvermittelt unterbricht die von vereinzelten Waldstücken und geringen
Höhenunterschieden nur spärlich belebte Fläche südlich
der Serre zunächst der einsame Kegelstumpf der Altstadt von Laon.
Der von Hügelketten gebildete Halbkreis, der ihn umschließt,
senkt sich im Süden allmählich zum Spiegel der Ailette und des
Oise-Aisne-Kanals hinab. Zwischen Ailette und Aisne schiebt sich, zu beiden
Seiten von Steilhängen begrenzt, ein zweiter Höhenzug, dessen
Kämme die Hügel und Ebenen im Norden weithin beherrschend überragen.
Die von Soissons in nordöstlicher Richtung gegen Laffaux ziehende
Schlucht schneidet ihn in zwei Hälften. Der ausgeprägtere Ostteil
wird in seiner ganzen Länge vom "Damenweg" durchzogen.
Nach einem letzten Anstieg zur Hochfläche des Winterberges fällt
er schroff nach Osten ab. Sanft geschwungene Kuppen trennen das Bett der
Aisne von dem der Vesle. Südlich der Vesle endlich heben sich immer
höhere Bodenwellen zur Wasserscheide der Oise und Marne empor, umfassen
in breiter Senke das Quellgebiet des Ourcq, bilden in neuem Anstieg die
waldigen Randhöhen des Marne-Beckens, um sich dann in steilem Abfall
nach Süden in das geräumige Flußtal zu verlieren. So bilden
die nordöstlichen Ausläufer der Ile de France mit ihren gleichlaufenden
Höhenzügen und Flußtälern vier natürliche Befestigungsgürtel,
die gegen Osten durch den Steilabfall südwestlich Reims, gegen Westen
durch die ausgedehnten Waldungen von Compiègne und Villers-Cotterêts
abgeschlossen sind. |
II. Der
Armee v. Boehn fiel der Hauptangriff zu, der Sturm auf den Damenweg, den
sie ein Jahr lang so ruhmreich verteidigt hatte. Ihre Korps bildeten die
Front westlich Reims, vom Schnittpunkt mit der Aisne bis zur Mündung
der Ailette. Im Zentrum, dem Damenweg gegenüber, standen auf dem
rechten Ailette-Ufer die Korps Wichura zwischen Lizy und Colligis, Winckler
bis Chermizy, Conta über Corbeny hinaus. |
III. Nur
für wenige Stunden unterbrach die kurze Mainacht die Kampfhandlungen.
Der Morgen des 28. Mai bot ein dem Vortage ähnliches Bild. Der hartnäckige
Widerstand auf dem rechten Flügel verdichtete sich zu schweren Gegenstößen.
Unsere Truppen wiesen sie stehend ab und nahmen dann den Vormarsch wieder
auf. Langsam drängten ihre Linien den zähen Gegner zu beiden
Seiten des von Laffaux nach Südwesten ziehenden Tales in Richtung
auf Soissons zurück. Am Zusammenfluß der Aisne und Vesle leisteten
mehrere französische Jägerbataillone im Fort Condé verzweifelten
Widerstand. Erst nachdem die Vesle oberhalb der Mündung überschritten
war, wurde der Stützpunkt im allseitig umfassenden Sturm genommen.
Die Korps auf dem linken Flügel der Angriffsfront erklommen in langwierigen
Gefechten die Osthänge der Höhe zwischen Aisne und Vesle und
schoben dann ihre Linien an den Südhängen hinab. |
IV. Vom
Morgen des 29. Mai ab machte sich das Eintreffen starker gegnerischer
Reserven mehr und mehr fühlbar. Auf der ganzen Front nahm die Zähigkeit
der Verteidigung und die Häufigkeit der Schwere der Gegenstöße
ständig zu. Selbst die Nächte brachten keine Unterbrechung der
Kämpfe mehr. Auch die mittleren Korps standen nun einem starken,
ausgeruhten, mit Geschützen und Maschinengewehren reichlich versehenen
Feinde gegenüber. Der Versuch, vor ihrer Front eine neue, haltbare
Verteidigungslinie zu bilden, wurde von dem Ungestüm deutscher Divisionen
im Keime erstickt. Auch in der stark verdrahteten Grabenstellung und dem
dichten Hochwald der Höhenkämme zwischen Vesle und Ourcq vermochte
der Feind ihrem Vormarsch nicht Halt zu gebieten. Um die Mittagszeit überschritten
sie die Wasserscheide der Aisne und Marne und drängten durch Mulden
und Seitentäler zur Senke des oberen Ourcq hinab. Das Korps Conta
erreichte, nachdem es einen schweren, von Panzerwagen begleiteten Gegenstoß
beiderseits Nesles zurückgeworfen hatte, bei Courmont das Quellgebiet
des Flusses und rückte am Abend in Fère-en-Tardenois ein.
Es hatte sich damit in dem Wettlauf an die Marne die Führung gesichert,
die es bis zum Ziele behielt. In enger Anlehnung an Boehns Mitte zog sich
der linke Flügel stark gestaffelt nach Südwesten vor. Am Abend
hatte er bis Faverolles den Ardre-Grund überwunden und bis Champigny
die Höhen südlich der Vesle gewonnen. Nördlich von Reims
fielen die Vorstädte La Neuvillette bis zum Kanal und Bétheny. |
V. War
am 29. Mai die Reimser Nordfront, die nach links auf die Einbruchstelle
folgte, bis Cernay zu Bruch gegangen, so machte sich am 30. Mai der Seitendruck
auf die nach rechts anschließenden Linien an der Ailette und Oise
bis Noyon in elementarer Weise geltend. In enger Fühlung mit dem
weichenden Feinde gewann das Korps François auf der ganzen Front
die Hänge der südlichen Uferhöhen der Ailette und des Oise-Aisne-Kanals,
nahm die vorgeschobenen Kuppen um Guny und stand nach Einbruch der Dunkelheit
auf der Hochfläche, die die Wasser der Oise und Aisne scheidet. In
den Abendstunden schloß sich Hutiers Flügelkorps unter Hofmann
mit seinen östlichsten Divisionen dem Vorgehen an, schlug sich zwischen
Pontoise und Manicamp einen haltbaren Brückenkopf und nahm während
der Nacht bei Camelin-et-le-Fresne Fühlung mit François auf. |
VI. Die
deutsche Angriffsschlacht hatte mit der Besetzung des Marne-Ufers ihren
Höhepunkt überschritten. Die weiteren Maßnahmen unserer
Heeresleitung zielten auf die Festigung und Abrundung des Gewonnenen hin.
Der nach Süden vorgetriebene Keil sollte in westlicher und östlicher
Richtung verbreitert werden. Die Angriffsfront zerfiel damit in zwei durch
die defensiv gehaltene Marne-Stellung scharf geschiedene Teile. Der veränderten
Lage trug eine um die Monatswende durchgeführte Neuordnung der Befehlsverhältnisse
Rechnung. Die gesamte Südostfront von Treloup bis Reims wurde der
Armee Below unterstellt, die südlich der Oise stehenden Divisionen
dagegen der Armee Boehn zugeteilt, die nun die Süd- und Westfront
umfaßte, von der Marne bis zur Oise. Boehns Mitte brachte, entsprechend
der Verschiebung der Angriffsrichtung, am 31. Mai die Frontveränderung
von Süden nach Westen zum Abschluß, deren Ansänge in die
ersten Tage der Schlacht zurückgehen, und die mit jedem Schritt der
Marne zu deutlicher in Erscheinung getreten war. |
Gefangene
Franzosen in der Zitadelle von Laon
VII. Mit
den am 3. und 4. Juni südlich der Aisne erfochtenen Erfolgen hatten
die auf örtliche Frontverbesserung gerichteten deutschen Unternehmungen
im wesentlichen ihren Abschluß gefunden. Die Armeen Boehn und Below
richteten sich befehlsgemäß in den gewonnenen Stellungen auf
Abwehr ein. Die folgenden Tage brachten die erwarteten schweren Gegenangriffe.
Die Korps Wichura und François standen am 5. und 6. Juni in erbittertem
Ringen. Gegen die deutschen Stellungen zwischen Chateau-Thierry und dem
Wald von Villers-Cotterêts liefen vom 6. Juni ab Franzosen, Engländer
und Amerikaner 3 Tage lang Sturm. Wo sie eindrangen, stellten Gegenstöße
die Lage wieder her. Auch auf Belows rechtem Flügel wurde am 6. Juni
hartnäckig, doch ohne Ergebnis gekämpft. Am 9. Juni zogen die
Feuerwirbel, die beiderseits der Matz eine neue Schlacht einleiteten,
weitere Divisionen des Feindes auf das andere Ufer der Oise. |
Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918
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